Centre Commercial
von Bernd Finkeldey
Josef Schulz
setzt sich mit der Architekturphotographie auseinander. Eine Werkgruppe widmet
er den Einkaufszentren am Rande südfranzösischer Städte. Diese
im Jahre 1999 entstandenen Bilder sind Bestandsaufnahmen von architektonischen
Ensembles, wie sie zunehmend auch in Architekturbüros und bei der Denkmalpflege
angewandt werden, um Bauten für die Nachwelt zu dokumentieren oder eine
sich in den Bestand einfügende Neuplanung zu ermöglichen. Die Photographien
von Josef Schulz verfolgen diese Zwecke nicht. Sie führen eine Reihung
von Funktionsarchitekturen vor Augen, die von der Architekturkritik als "dekorierte
Schuppen" bezeichnet werden, da ihnen kaum baukünstlerischer Wert
zukommt, sondern allein die zur Straßenseite gelegenen Fassaden und
die an sie angeklebten Werbetafeln, Schriftbänder oder Logos von visuellem
Reiz sind. Sie sind es, die Aufmerksamkeit erheischen und ins Innere der Geschäfte
locken.
Josef Schulz zeigt auf seinen photographischen Bildern ganze Straßenzüge
unverstellt und auf einen Blick. Die Banalität der Fassaden und ihres
Oberflächenscheins tritt geballt auf. Das Interesse an der Architektur
ermattet deshalb schnell, dafür aber zieht das Bild die Aufmerksamkeit
auf sich. Auch in diesen langgestreckten, oft mehr als zwei Meter breiten
Panoramen wird Distanz zur Architektur hergestellt, ist doch ein mit Supermärkten
bebauter Straßenzug nur aus gemessener Entfernung auf einen Blick wahrzunehmen.
Gleichermaßen aber drängt sich Nähe zum Abgebildeten auf,
auch weil der dafür viel zu schmale Bildvordergrund den Eindruck von
größter Distanz nicht unterstützt. So schwankt der Blick irritiert
zwischen Nähe und Ferne zum Dargestellten. Vollends verunsichert wird
der Standort vor dem Bild durch sich im Vordergrund abzeichnende, uneinheitliche
Fluchtlinien. Erschien das Bild eben noch durch das einheitliche Firmament,
die gerade Reihung der disparaten Bauten zu einem horizontalen Streifen homogen,
so offenbart sich in der Straßenzone, in Asphaltpartien, Pflasterungen
oder den Markierungen für Fußgängerüberwege und Parkbuchten,
daß unterschiedliche Perspektiven zu einer Ansicht zusammenfinden. Und
so fällt ins Auge, daß nicht ein Blickwinkel wiedergegeben ist,
sondern viele einzelne Ablichtungen zu einem Bild montiert wurden.
Dieses ist der Realität nahe, da jede einzelne photographische Aufnahme
alles ablichtet, was vor das Objektiv des Apparates tritt. Sachlich dokumentiert
es Wirklichkeit. Und doch erweist sich das Gesamtbild als merkwürdig
fremd, da es eine eigene Sicht vor Augen führt. In dieser Bildwirklichkeit
wird zusammengefügt, was Kamera und Mensch nur nacheinander sehen können
und entweder bildhaft collagieren oder gedanklich zusammenfügen müssen.
Diese Bilder öffnen die Augen über die Maßen, zeigen auf einen
Blick, was so nicht zu sehen ist. Zudem führen sie anschaulich vor, daß
sie weder menschliche noch photographische Sichtweisen wiedergeben, sondern
eine, nur mittels der digitalen Bildverarbeitung mögliche Wahrnehmung
verbildlichen.